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Uwe
Grefe hat seine Erfahrungen als Schlaganfall-Opfer veröffentlicht "lch möchte allen, die mein
Schicksal teilen, Mut machen."
Eine
Rechenaufgabe steht auf der Vorderseite des Buches, das Uwe Grefe
in der Hand hält: 3 + 4 = 8. Heute weiß der 42 jährige
natürlich, daß das Ergebnis falsch ist. Vor einigen Jahren
konnte er jedoch nicht einmal die einfachsten mathematischen Aufgaben
lösen. Denn nach einer Hirnblutung, die ihn von einem Tag auf
den anderen aus seinem Leben riß, war er halbseitig gelähmt
und hatte nicht nur die Sprache, sondern auch die Fähigkeit
zu schreiben und zu rechnen komplett verloren. Seine Erfahrungen
im Krankenhaus und während der Rehabilitation hat er in dem
Buch "3 + 4 = 8 - Vergraben und verschüttet sind meine
Worte" niedergeschrieben - für sich selbst, aber auch
für die vielen anderen, die Schicksal teilen. Es geschah
am 4. August 1989, als Uwe Grefe - damals 34 Jahre alt - unter der
Dusche stand. Plötzlich konnte er seine Arme und Beine nicht
mehr spüren. Kurz nachdem der Arzt zu Hause eingetroffen war,
fiel Uwe Grefe ins Koma. Noch am selben Tag wurde er wegen einer
Hirnblutung am Kopf operiert. Als er nach einigen Tagen wieder aufwachte
wachte, konnte er seine recht Körperhälfte nicht mehr
bewegen. "Aber was viel schlimmer war, ich konnte nicht mehr
sprechen. Ich konnte klar denken, aber über Lippen kam nur
unverständliches Zeug", erinnert er sich als sei es erst
gestern gewesen. Mühevoll und über Monate und
Jahre hinweg lernte er nicht nur das Gehen, sondern auch das Sprechen
wieder neu. Im Winter 1990/91 während eines Reha-Urlaubes über
Weihnachten - und aus einer Art Langeweile heraus wie er sagt -
begann er dann damit seine Krankengeschichte aufzuschreiben. Die
ersten Aufzeichnungen waren noch bruchstückhaft und mit vielen
Schreibfehlern. Weil es ihn so sehr anstrengte, konnte er nur wenige
Minuten am Tag schreiben. "Was in den ersten vier Wochen nach
der Operation geschah, daran habe ich keine Erinnerungen mehr. Deshalb
basieren die ersten Notizen auf den Erzählungen meiner Ehefrau.
Alles andere habe ich beim Schreiben noch einmal neu erlebt und
durchlebt." erzählt Uwe Grefe. So ließ er alles
noch einmal Revue passieren - nicht nur die Fortschritte, sondern
auch die Phasen tiefen Depression. "Noch heute bekomme ich
eine Gänsehaut wenn ich an meinen behandelnden Arzt im Krankenhaus
denke. Ich wollte nicht mehr leben. Ich war doch ein Krüppel.
Mein Arm und das Bein funktionierten nicht Mehr ich konnte nicht
mehr sprechen. Er aber hat mich aufgebaut mir gesagt daß ich
abwarten muß, daß es ach bestimmt bessert Er hat fast
zwei Stunden auf mich eingeredet. Das hat mir Mut gemacht."
Anderen Betroffenen ein Stück dieser Zuversicht weiterzugeben,
die er damals erlebt hat und die sein Leben bis heute bestimmt,
das ist seiner Meinung nach der Grund, warum aus den persönlichen
Aufzeichnungen ein Buch entstanden ist: "Es kann jeden treffen.
Da ich selbst Aphasiker bin, kann ich andere Schlaganfall-Patienten
sehr gut verstehen. Ich kann mich in ihre Lage versetzen und möchte
ihnen mit meinem Buch Mut machen und helfen." Obwohl er selbst
fast wieder normal sprechen kann, passiert es ihm auch heute noch,
daß Leute am Telefon denken er sei betrunken. "Das ist
nur eine der negativen Erfahrungen, die jeder Aphasiker tagtäglich
macht. Da muß man einfach darüberstehen und es verdrängen.
Man kann und muß damit leben." Von den ersten
Aufzeichnungen bis zum fertigen Buch verging jedoch eine geraume
Zeit. Fünf Jahre lang schrieb Uwe Grefe seine Erinnerungen,
Erfahrungen und seine Therapiefortschritte nieder. Noch einmal 1
1/2 Jahre dauerte es dann, bis er einen Verlag gefunden hatte Dabei
spielen Glück und Zufall die entscheidende Rolle. Denn Uwe
Grefe Sprachtherapeut kannte den Verleger Jürgen Steiner der
sich unter anderem auf Fachliteratur zum Thema "Sprachstörungen"
spezialisiert hat Immer wieder drängte der Therapeut ihn: "Dieser
Erfahrungsbericht muß unbedingt veröffentlicht werden."Schließlich
hielt Uwe Grefe im Januar dieses Jahres die ersten druckfrischen
Exemplare in den Händen. Seitdem bekommt er von Lesern
immer wieder anerkennende Anrufe oder Briefe. Aber nicht nur bei
anderen Aphasikern, sondern auch in Fachkreisen hat sein Buch bereits
viel Aufsehen erregt Besonders überrascht hat Uwe Grefe das
Interesse auf Kongressen und Veranstaltungen an Universitäten
zu denen er eingeladen wird. "Dort lese ich ausgewählte
Passagen des Buches. Anschließend fragen mir die Teilnehmer
fast ein Loch in den Bauch: "Erzählen Sie doch mal wie
war das für Sie genau, so ohne Sprache Wie haben Sie sich verständlich
gemacht Konnten Sie alles mitbekommen."Ich bekomme nur positive
Resonanz. Ein so großes Interesse habe ich mir nicht träumen
lassen. Es macht mich wirklich stolz, daß ich es geschafft
habe, mein eigenes Buch herauszugeben und so erfolgreich zu sein;
trotz meiner Krankheit." Das Titelbild das Uwe Grefe
für sein Buch ausgewählt hat, stammt ebenfalls von einem
Aphasiker: "Es hat viel mit mir zu tun. Der einsame
Mann auf dem Boot und im Hintergrund der dunkle Himmel mit dem in
der Ferne leuchtenden Mond. Sicherlich im Leben gibt es immer dunkle
Wolken, aber es gibt auch immer einen Lichtblick."
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